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Chorgestühl Buxheim Ausschnitt

Chorgestühl Buxheim Ausschnitt

Buxheim Chorgestühl Ausschnitt

Buxheim Chorgestühl Ausschnitt

Buxheim Chorgestühl Ausschnitt

Chorgestühl

Beschreibung

Die ehemalige Reichskartause Buxheim bietet dem Besucher ein Kunstwerk von europäischem Rang. Zwischen 1687 und 1691 hat der Tiroler Holzschnitzer Ignaz Waibl zusammen mit seinen Mitarbeitern das grandiose Chorgestühl geschaffen. Von den ursprünglich 36 Chorstühlen sind seit der Barockisierung durch die Brüder Zimmermann (1709) noch 31 erhalten. Das Programm hat der kunstsinnige Prior Johann Bilstein entworfen, der als Visitator von Kartausen in verschiedenen Ländern reiche Eindrücke gesammelt hatte. In seiner Amtszeit (1678 – 1693) hat der Konvent die Neuanfertigung eines Chorgestühls beschlossen.

Die Architektur des Chorgestühls geht auf eine Grundform zurück, in der sich im Chorraum einer Kirche die jeweiligen Stühle, Bänke oder ähnliche Sitz-/Steharchitekturen entlang der Wandlängsseiten gegenüberstehen. Diese Aufstellung hängt eng mit der - stets gesungenen - Liturgie der gemeinschaftlichen Stundengottesdienste (z.B. Vespern) zusammen: antiphonal ( = wechselweise) wird der Gesang der Psalmen und Cantica (z.B. Magnificat) bzw. der jeweiligen Doppelverse sowie der strophischen Hymnen durch Chorherren oder Mönche wie Benediktiner und Kartäuser vorgetragen. In Buxheim ist auch die Stirnseite des Chorgestühls hin zum Kreuzganglettner mit einbezogen, eine Zweiteilung durch die Türe zum Chorraum trennt auch die Stirnseite klar in zwei Teile.

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Das gesamte Kunstwerk weist eine dreistufige Gliederung auf, die auf ein interessantes theologisches Konzept zurückzuführen ist. Die erste Stufe wird in den Maskenfriesfeldern ganz unten an den Pultvorderseiten geprägt. Diese Masken symbolisieren die dämonischen Mächte wie Krankheiten und Seuchen; Kriege und Katastrophen, denen der Mensch sich ausgesetzt weiß, aber auch die inneren negativen Antriebe und Versuchungen, die dem Menschen zusetzen. Nach christlichem Verständnis gelingt der Weg aus dieser dämonischen Verkettung allein durch den Glauben.

In die zweite theologische Ebene führen daher zwei Mönche, die links und rechts des Eingangs die Lesepulte des Chorgestühls abschließen. Durch den Gestus der gefalteten Hände zeigen sie die innere Haltung des Mönchtums auf, die in der Hingabe an Gott besteht. Alle Ordensgemeinschaften der Kirche dienen diesem Ziel. Deshalb sind in allen Nischen als Dorsalfiguren Mönche und Nonnen angebracht, die einen Orden gegründet haben. Außerdem stehen in den Stühlen der Klosteroberen Figuren des Salvators, der Gottesmutter sowie der Propheten Elia und Johannes des Täufers. Alle Dorsalfiguren verkörpern Menschen, die den Weg aufzeigen, wie der Mensch dem Machtbereich dämonischer Mächte entrinnen kann. Es ist der Weg des Glaubens, den sie beschritten haben und durch den sie zeitlos zum Vorbild geworden sind.

Die dritte Ebene wird erreicht durch die oberste Reihe der Figuren, die zwölf Apostel, die auf je einer Seite das Emblem von Jesus bzw. Maria einrahmen. Ohne die Apostel, ohne Maria und Jesus von Nazaret würde es kein Christentum und keine Kirche und somit auch kein Kloster geben. Die Krönung auf der dritten Ebene bildet die Portalseite. Die zentrale Figur ist der Erzengel Michael, der nach der jüdischen Apokalyptik als Anführer der Gott treuen Engel den Kampf gegen Luzifer aufnimmt, der mit dessen Sturz endet. Auf seinem Schild steht „Quis ut deus? – Wer ist wie Gott“, die lateinische Übersetzung des Namens Michael. Gott allein gebührt die Herrschaft. Zwei Engel halten ein Spruchband mit dem Beginn des „Sanctus“ aus der Liturgie: Gott allein ist heilig. Dieser Text geht zurück auf zwei Gottesvisionen, einmal des Propheten Jesaja im Alten Testament (Jes 6) und zum anderen des Sehers Johannes im Neuen Testament ( Offb 4). Die beiden Cheruben, die das Portal einrahmen, signalisieren: Wer diesen Raum betritt, begibt sich in den Machtbereich Gottes. Auf dem Sockel über dem Portal steht in hebräischen Buchstaben das so genannte Tetragramm, der Gottesname JAHWE. Dieser dem Mose geoffenbarte Gottesname (Ex 3,14) bedeutet: „Ich bin da“. Gott ist ein Gott für die Menschen. Er begleitet den Weg des Menschen, angefangen von der Geschichte des Volkes Gottes im ersten Bund bis hinein in die Geschichte der Kirche. Darum sind auf der Portalseite entsprechend den Aposteln vier Figuren dargestellt, die in der Geschichte Israels wichtig waren: der Religionsgründer Mose mit den Gesetzestafeln und der Reichsgründer David mit der Harfe, als der Stammvater Jesu, Aaron, der Bruder des Mose, als Vertreter des Priestertums und Melchisedek als Typos des messianischen Priesterkönigs und Urbild für Jesus Christus.

Das Chorgestühl hat eine verwirrende Geschichte hinter sich. 1883 ließ es der damalige Besitzer der ehemaligen Kartause, Graf Hugo Philipp von Waldbott Bassenheim, wegen finanzieller Engpässe versteigern. Über Umwege kam es nach England, wo es schließlich in einem Frauenkloster aufgestellt wurde. Dem Zeitgeschmack entsprechend ließen es die Schwestern schwarz anstreichen. Als das Kloster geschlossen werden sollte, setzte sich die Oberin Cathleen Bush dafür ein, dass es an seinen Ursprungsort zurückkehrte. Aufgrund des großartigen Einsatzes des damaligen Bezirkstagspräsidenten Dr. Georg Simnacher erwarb der Bezirk Schwaben das Chorgestühl. Am 4. Dezember 1980 kam es nach Buxheim. Es folgte eine umfangreiche und teure Renovierung und Restaurierung. Schließlich konnte es am 24. Juni 1994 in einer feierlichen Benediktion wieder in Dienst genommen werden.

„Soli deo – allein für Gott“ lautet die kürzeste Fassung des Kartäuserprogramms und damit auch des Buxheimer Chorgestühls. Es ist ein zeitloser Appell an alle, die sich von der Schönheit des Kunstwerks begeistern lassen.

Geschichte des Chorgestühls

1678 – 1693

Unter Prior Johannes Bilstein beschloss der Konvent die Neuanfertigung eines Chorgestühls

Ca. 200 Eichen werden in Buxheimer Waldungen geschlagen und gelagert

1687 – 1691

Der Bildhauer Ignaz Waibl aus Grins in Tirol schafft gemeinsam mit seinen Gesellen in vier Jahren das Chorgestühl. Die Schreinerarbeiten werden von Meister Peter aus Memmingen gefertigt. Das Gestühl bestand ursprünglich aus 36 Chorstühlen, je 15 auf beiden Seiten und je drei links und rechts vom Eingang.

2. Mai 1883

Der Gesamtbesitz des Grafen Hugo von Waldbott-Bassenheim wird gepfändet.

14. Sept. 1883

Um die zwangsweise Versteigerung zu vermeiden lässt der Graf den gesamten Kunstbesitz auf einer Auktion in München versteigern.

Das Chorgestühl wechselt für 42 100 Mark den Besitzer. Es ist nicht bekannt, wer das Chorgestühl ersteigert hat.

Sommer 1886

Das Chorgestühl wird in London erneut zur Versteigerung angeboten. Der damalige Direktor der Bank von England erwarb es für 3500 Pfund und schenkt es den Schwestern des St. Saviours Hospital in London.

1888

18 Chorstühle werden in der Kapelle aufgestellt und dem Zeitgeschmack entsprechend mit schwarzem Bootslack gestrichen. Das übrige Chorstühl wird u.a. zu einem Altar und zu Lesepulten umgearbeitet.

1963

Das Hospital muss dem Straßenbau weichen. Der Konvent zieht nach Hythe in die Grafschaft Kent.

Die Oberin Cathleen Bush besucht Buxheim und lässt die neue Kapelle in den Maßen des Buxheimer Priesterchors errichten. Das Chorgestühl wird hier wiederum in veränderter Form aufgebaut.

1979

Die Schwestern geben Krankenhaus und Kirche auf. Das Auktionshaus Sotheby`s schätzt den Wert des Chorgestühls auf 450 000 Pfund Sterling und wird mit dem Verkauf beauftragt.

26. Juni 1980

Nachdem der Freistaat Bayern in der Kürze der Zeit keine Kaufentscheidung treffen kann, entscheidet der schwäbische Bezirkstagspräsident Dr. Georg Simnacher, dass der Bezirk Schwaben als Käufer antritt.

28. Juli 1980

Der Bezirkstag von Schwaben stimmt dem Kauf mit 20 : 3 Stimmen zu.

6. August 1980

Bezirkstagspräsident Dr. Simnacher unterzeichnet den Kaufvertrag. Das Chorgestühl wird für 450.000 Pfund Sterling = 2.065.441 DM = 1.056.000 EUR erworben.

4. Dez. 1980

Das Chorgestühl kehrt nach 97 ½ Jahren nach Buxheim zurück.

24. Mai 1981

Das Chorgestühl wird vorläufig aufgestellt und eingeweiht. Die Oberin Cathleen Bush wird Ehrenbürgerin von Buxheim.

7. Feb. 1982

In einer ersten Restaurierungsphase wird der schwarze Lack entfernt. 1986 war diese Arbeit vollendet. Es wurden 3500 Liter Äthylalkohol verwendet.

1987 – 1992

Die Kartausenkirche wird grundlegend renoviert. Die Arbeiten am Chorgestühl ruhen in dieser Zeit.

8. Mai 1992

Beginn der zweiten Restaurierungsphase.
Der Chor der Kartausenkirche wird zur Bildhauerwerkstatt. Wegen der in England vorgenommenen Veränderungen konnten nicht mehr alle Teile verwendet werden; es wurden einige Teile nachgeschnitzt. Für die Ergänzungen wurden 8 cbm Eichenholz benötigt.

10. März 1993

Die Beteiligten entscheiden, das Chorgestühl in der ursprünglichen Form wieder aufzustellen und hierfür den Lettner wieder zu schließen.

24. Juni 1994

Am 910. Jahrestag der Gründung des Kartäuserordens findet die feierliche Benediktion durch den Bischof von Augsburg, Dr. Viktor Josef Dammertz, statt.